Richtlinie des BMF vom 07.10.2021, 2021-0.586.616
1. Teil: Multinationale Konzernstrukturen
1.3. Konzerninterner Leistungsverkehr
1.3.4. Immaterielle Werte

1.3.4.2. Verrechnung dem Grunde nach

140Wird einem verbundenen Unternehmen ein (bestehender) immaterieller Wert übertragen oder zur Nutzung überlassen, so wird hierdurch ein Anspruch auf fremdübliches Entgelt begründet, für dessen Ermittlung die Grundsätze des Kapitels VI der OECD-VPL gelten. Die Bestimmung, welchem Unternehmen im Konzern die Erträge aus der Übertragung (Veräußerung) oder Nutzung der immateriellen Werte zustehen, kann - zB wegen fehlender Vergleichbarkeit mit Geschäftsfällen zwischen unabhängigen Unternehmen oder wegen der Schwierigkeit, den Effekt eines bestimmten immateriellen Werts auf die Konzerneinkünfte zu isolieren - oft mehrere Schritte umfassen. Die rechtliche und vertragliche Gestaltung stellt dabei lediglich den Ausgangspunkt einer dafür notwendigen Verrechnungspreisanalyse dar.

Bei dieser Verrechnungspreisanalyse gilt grundsätzlich der rechtliche Eigentümer als Eigentümer des immateriellen Werts. Weicht das tatsächliche Verhalten von den vertraglichen Gestaltungen ab oder gibt es keine schriftlichen Verträge, so ist das wirtschaftliche Eigentum ( § 24 BAO) relevant (VwGH 27.11.2020, Ra 2019/15/0162; in diese Richtung Z 6.36 und Z 6.40 OECD-VPL). Diesem Eigentümer sowie allen anderen im Sinne des DEMPE-Konzepts (Rz 141) an der Wertschöpfung beteiligten Konzernunternehmen steht ein fremdüblicher Anteil an den aus den immateriellen Werten erzielten Erträgen zu.

141Folgende Analyseschritte sind bei Transaktionen im Zusammenhang mit immateriellen Werten vorzunehmen (Z 6.34 OECD-VPL):

  1. Identifikation der relevanten immateriellen Werte und der damit zusammenhängenden, wirtschaftlich signifikanten Risiken;

  2. Identifikation der vertraglichen Gestaltungen in Hinblick auf das (rechtliche) Eigentum und vertraglich festgelegte Rechte und Verpflichtungen (etwa Übernahme von Risiken);

  3. Funktionsanalyse, dh. Identifikation der Unternehmen, die in Zusammenhang mit den DEMPE-Funktionen (Development, Enhancement, Maintenance, Protection and Exploitation; dt.: Entwicklung, Verbesserung, Erhaltung, Schutz und Verwertung immaterieller Werte) Funktionen ausüben, Vermögenswerte nutzen und Risiken managen;

  4. Überprüfung der Übereinstimmung zwischen vertraglichen Bestimmungen und tatsächlichem Verhalten der an der Transaktion beteiligten Unternehmen, insbesondere in Hinblick auf die Kontrolle der spezifischen Risiken und die finanzielle Ausstattung, die für die Übernahme dieser Risiken erforderlich ist;

  5. Identifikation und Abgrenzung der tatsächlichen Geschäftsvorfälle unter Betrachtung der vertraglichen Gestaltung und des tatsächlichen Verhaltens der Vertragsparteien;

  6. Bestimmung der fremdvergleichskonformen Vergütung (Rz 149) unter Berücksichtigung der ausgeübten Funktionen, der dabei eingesetzten Wirtschaftsgüter und der übernommenen Risiken nach den Grundsätzen von Kapitel VI Abschnitt D der OECD-VPL.

142Das DEMPE-Konzept ist maßgeblich dafür, welchen Konzerngesellschaften eine Vergütung aus der Verwertung eines immateriellen Werts zusteht. Eigentum für Verrechnungspreiszwecke (Rz 140) allein reicht nicht für die Zuweisung von Erträgen im Zusammenhang mit immateriellen Werten aus. Grundsätzlich kann der Eigentümer des immateriellen Werts einzelne DEMPE-Funktionen auf andere Konzerngesellschaften auslagern, denn ein solches Outsourcing geschieht auch zwischen fremden Dritten (Z 6.51 ff OECD-VPL). Je nach Sachlage kann es sich bei der fremdüblichen Vergütung für von Konzerngesellschaften ausgeübten oder kontrollierten DEMPE-Funktionen um einen entsprechend hohen Anteil an dem durch die Verwertung des immateriellen Werts erzielten Gesamtertrag handeln oder aber auch nur um eine Routinevergütung (Z 6.54 OECD-VPL).

Beispiel:

Der multinationale Konzern "Alpha" entwickelt ein neues Arzneimittel. Die Forschungs- und Entwicklungsarbeit wird von der österreichischen Konzerngesellschaft A ausgeführt, während die Verbesserung und Erhaltung des immateriellen Werts von der ausländischen Konzerngesellschaft B vorangetrieben werden. Konzerngesellschaft C ist wiederum für den patentrechtlichen Schutz des Arzneimittels sowie für alles, was mit der Verwertung durch Einräumung von Lizenzen zu tun hat, zuständig. Das Patent wird von A angemeldet und eingetragen; sie kann bestimmen, wie das Patent verwertet wird, und kann andere von der Nutzung ausschließen. A ist somit der Eigentümer iSd Kapitels VI der OECD-VPL. Die Lizenzzahlungen der Produktionsgesellschaften fließen an A, welche die Lizenzen nicht allein für sich vereinnahmen kann. Vielmehr steht auch den Konzerngesellschaften B und C eine fremdübliche Vergütung für ihre übernommenen DEMPE-Funktionen zu.

143Lagert eine Konzerngesellschaft alle DEMPE-Funktionen aus und übt sie auch keine Kontrolle über die ausgelagerten Funktionen aus, so steht ihr keine Vergütung aus der Verwertung des immateriellen Werts zu, sondern lediglich eine Routinevergütung für allenfalls erbrachte Dienstleistungen. Werden in solch einem Fall alle DEMPE-Funktionen von einer anderen Gesellschaft als der zivilrechtlichen Eigentümerin ausgeübt und kontrolliert, so wird diese andere Gesellschaft auch als wirtschaftliche Eigentümerin iSd BAO anzusehen sein (VwGH 27.11.2020, Ra 2019/15/0162).

Beispiel (angelehnt an Beispiel 3 im Anhang zu Kapitel VI der OECD-VPL):

Die Gesellschaft S ist zivilrechtliche Eigentümerin von mehreren Markenrechten und lizenziert die Marken über mehrere Jahre hinweg an verbundene und an unabhängige Unternehmen. S trägt jedoch nur sehr eingeschränkt zu Entwicklung, Verbesserung, Erhaltung, Schutz und Verwertung der Marken bei, und zwar indem die drei Mitarbeiter von S die Marken registrieren und die Markenregistrierungen warten. Die Mitarbeiter von S üben keine Kontrolle über die Lizenztransaktionen hinsichtlich der Marken aus. Alle DEMPE-Funktionen - mit Ausnahme die erwähnten Routineleistungen iZm der Registrierung - werden von der verbundenen Gesellschaft P ausgeübt. S handelt unter der Anweisung und Kontrolle von P.

Nach einigen Jahren hat eines der Markenrechte erheblich an Wert gewonnen und wird von S - wiederum unter Anweisung und Kontrolle von P - veräußert. Unter diesen Umständen erhält die Gesellschaft S lediglich eine Vergütung für die Registrierungsfunktion, jedoch keine darüber hinausgehenden Einkünfte aus der Verwertung und Veräußerung der Markenrechte. Nach innerstaatlichem Recht wäre der Veräußerungsgewinn der Gesellschaft P - als wirtschaftliche Eigentümerin der Marke - zuzurechnen und P hätte eine Vergütung für die Registrierungsfunktion an S zu leisten.

144Ein verbundenes Unternehmen, welches zwar die Finanzierung für die Entwicklung eines immateriellen Werts zur Verfügung stellt, jedoch keine Funktionen in Bezug auf die Entwicklung ausübt, wird nur eine dem finanziellen Risiko angemessene Rendite erwarten können (Z 6.61 OECD-VPL).

145Bei konzerninternen Vertriebs- und Marketingaktivitäten stellt sich häufig die Frage, ob das Vertriebs- bzw. Marketingunternehmen für den rechtlichen Eigentümer der Marke lediglich (Routine-)Dienstleistungen erbringt oder ob es aufgrund seiner Aktivitäten den Wert der Marke oder der sonstigen immateriellen Marketingwerte gesteigert hat (Z 6.76 OECD-VPL). Denn nur im letzteren Fall hat das Vertriebs- bzw. Marketingunternehmen einen Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung, die auch die mit der Weiterentwicklung der Marke verbundenen Funktionen und Risiken widerspiegelt (zB in Form höherer Vertriebsgewinne, einer niedrigeren Lizenzgebühr oder einer Gewinnbeteiligung am gestiegenen Markenwert). Ob einem konzerninternen Vertriebs- bzw. Marketingunternehmen eine zusätzliche Vergütung für die (Weiter-)Entwicklung immaterieller Marketingwerte zusteht, ist stets in Gesamtbetrachtung der Umstände zu würdigen und davon abhängig, was unabhängige Vertriebsunternehmen in vergleichbaren Situationen erhalten würden und ob mit den Tätigkeiten eine höhere Wertschöpfung verbunden ist (Z 6.78 OECD-VPL). Siehe dazu die Beispiele 8-13 im Anhang zu Kapitel VI der OECD-VPL.

146Ein (Lizenz-)Vertrag muss den überlassenen immateriellen Wert möglichst genau beschreiben, sodass die Einschätzung des genauen Marktwerts möglich ist. Einer besonders exakten Leistungsbeschreibung bedarf es insbesondere dann, wenn der Vertragsgegenstand in der Erbringung schwer fassbarer Leistungen besteht, wie dies bei der Überlassung von Know-how der Fall ist (Rz 408).

147Im Allgemeinen wird ein Handelsbetrieb, der als Wiederverkäufer von Markenprodukten auftritt, nicht neben dem Wareneinkaufspreis noch zusätzliche Zahlungen dafür leisten, dass auf der gekauften Handelsware die Markenbezeichnung des ausländischen Herstellers aufscheint. Denn er wird regelmäßig nicht das Recht auf Markennutzung, sondern das Eigentumsrecht an den gelieferten Waren erhalten (EAS 2349, EAS 3074). Auch die bloße Nutzung eines Konzernnamens ist für sich alleine nicht entgeltsfähig (BFH 21.1.2016, I R 22/14). Ist allerdings der Verkäufer der zugekauften Handelsware Eigentümer der Marke und wurde die Verwendung der Marke noch nicht im Einkaufspreis einkalkuliert, dann bestehen keine Bedenken, dass eine separate Markenlizenz verrechnet wird, wenn dem Wiederverkäufer durch die Marke ein finanzieller Vorteil verschafft wird (Z 6.82 OECD-VPL). Denn die Vergütung für einen dem Grunde nach abzugeltenden Vorteil kann vertraglich unterschiedlich ausgestaltet werden. Es ist auch denkbar, dass eine Vertriebstochter Markenlizenzzahlungen an eine andere Konzerngesellschaft leistet, die die Waren zwar nicht liefert, aber Eigentümerin des immateriellen Werts ist, durch den die Lizenznehmerin einen finanziellen Vorteil erlangt. Die Entgeltfähigkeit für die Überlassung eines als Markenzeichen geschützten Konzernnamens ist schließlich auch dann gegeben, wenn das inländische Konzernunternehmen selbst eine Produktion unter Verwendung eines Markennamens, der im Eigentum eines verbundenen Unternehmens steht, aufnimmt, oder wenn es von fremden Produzenten Ware zukauft und sodann berechtigt ist, sie unter dem Konzernmarkennamen weiterzuverkaufen (vgl. BFH 9.8.2000, I R 12/99, BStBl II 2001, 140).

148Im Bereich der konzerninternen Auftragsforschung ist das Unternehmen, welches die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten ausübt, nach Maßgabe sämtlicher Gegebenheiten und Umstände zu vergüten, beispielsweise abhängig davon, ob das Forschungsteam über einzigartige für die Forschungsarbeiten relevante Kompetenzen und Erfahrungen verfügt, ob es Risiken übernimmt, ob es seine eigenen immateriellen Werte nutzt oder ob es von einem anderen Beteiligten kontrolliert und verwaltet wird. Eine Vergütung auf der Basis einer Erstattung der Kosten zuzüglich einer kleinen Gewinnspanne wird demnach nicht in jedem Fall von Auftragsforschung fremdüblich sein (Z 6.79 OECD-VPL).


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Zusatzinformationen
Gültig ab:
07.10.2021
Betroffene Normen:
§ 24 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Stammfassung:
2021-0.586.616

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
PAAAA-76464