Richtlinie des BMF vom 29.03.2018, BMF-010216/0002-IV/6/2018
1. Persönliche Steuerpflicht (§§ 1 bis 4 KStG 1988)
1.2 Unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht
1.2.1 Unbeschränkte Steuerpflicht
1.2.1.1 Körperschaften des privaten Rechts (§ 1 Abs. 2 Z 1 KStG 1988)

1.2.1.1.3 Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit

19Die rechtliche Grundlage der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit ist das am 1. Jänner 2016 in Kraft getretene Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 ( VAG 2016, BGBl. I Nr. 34/2015; zuvor das VAG, BGBl. Nr. 569/1978). Unternehmen mit Sitz im Inland, die den Betrieb der Vertragsversicherung zum Gegenstand haben, dürfen nur in Form einer AG, einer SE oder eines Versicherungsvereines auf Gegenseitigkeit betrieben werden ( § 8 Abs. 1 VAG 2016). Drittlands-Unternehmen, welche die Vertragsversicherung im Inland betreiben, müssen eine in das Firmenbuch eingetragene Zweigniederlassung mit einer eigenen Geschäftsleitung haben ( § 13 Abs. 1 VAG 2016).

Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit sind Vereine, die die Versicherung ihrer Mitglieder nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit betreiben; sie bedürfen einer Konzession gemäß § 6 Abs. 1 VAG 2016 ( § 40 VAG 2016). Der bei den einzelnen Mitgliedern entstandene Schaden wird gemeinsam getragen. Die Versicherten sind gleichzeitig die Versicherer. Die Versicherten müssen Beiträge leisten, aus denen die zu erbringenden Versicherungsleistungen und der Betriebsaufwand abgedeckt werden sollen ( § 44 VAG 2016). Aus den Beiträgen ist ein satzungsmäßig bestimmter Teil einer Rücklage zur Deckung von Verlusten aus dem Geschäftsbetrieb (Sicherheitsrücklage) zuzuführen ( § 45 VAG 2016). Weiters ist eine Risikorücklage zu bilden, die ebenfalls zur Deckung von Verlusten dient ( § 143 VAG 2016).

Reichen andere Mittel zur Deckung von Verlusten nicht aus, können die Mitglieder - im Unterschied zu den Versicherungen gegen Prämien - zu Nachschüssen verhalten werden oder es müssen die Mitglieder die Herabsetzung der Versicherungsleistung in Kauf nehmen ( § 44 Abs. 2 VAG 2016).

20Das VAG 2016 unterscheidet zwischen großen Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit ( § 35 ff VAG 2016) und kleinen Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit ( § 68 ff VAG 2016). Die Rechtsgrundlagen für die großen Vereine sind jenen der AG weitgehend angeglichen. Große Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit entstehen durch die Eintragung im Firmenbuch und sind nach den Bestimmungen des Unternehmensrechts für große AGs rechnungslegungspflichtig. Kleine Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit haben einen örtlich, sachlich und nach der Zahl der Mitglieder eingeschränkten Wirkungsbereich. Kleine Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit entstehen mit Erteilung der Konzession ( § 69 Abs. 2 VAG 2016); sie können sich freiwillig ins Firmenbuch eintragen lassen. Zu welcher Kategorie ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit gehört, wird ausschließlich von der FMA entschieden ( § 69 Abs. 4 VAG 2016).

Die Organe eines großen Versicherungsvereines auf Gegenseitigkeit sind der Vorstand, der Aufsichtsrat und als oberstes Organ die Mitgliederversammlung (Mitgliedervertretung; § 48 Abs. 1 VAG 2016). Für kleine Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit bedarf es grundsätzlich keines Aufsichtsrates, die Satzung kann aber die Bestellung eines Aufsichtsrats vorsehen; bei kleinen Versicherungsvereinen mit mehr als 2.000 Mitgliedern ist jedoch ein Aufsichtsrat vorgesehen ( § 75 Abs. 2 VAG 2016).

Unter Beachtung des § 127 VAG 2016 kann sich ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit an Kapitalgesellschaften, anderen Gesellschaften oder an Einzelunternehmen beteiligen. Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit dürfen mit Zustimmung des obersten Organs nachrangige Verbindlichkeiten gemäß § 170 Abs. 1 Z 2 VAG 2016 eingehen und darüber Wertpapiere ausgegeben ( § 46 VAG 2016). Das VAG 2016 sieht die Begebung von Partizipationskapital nicht mehr vor; zur steuerlichen Behandlung von bereits begebenem Partizipationskapital siehe näher Rz 558.

21Die Rechnungslegung für große Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und für inländische Zweigniederlassungen von Drittlands-Versicherungs- und Drittlands- Rückversicherungsunternehmen hat grundsätzlich nach den Bestimmungen des UGB für große Aktiengesellschaften zu erfolgen ( § 136 VAG 2016).

Darüber hinaus sind mehrere Verordnungen zu beachten, so insbesondere die Verordnung der FMA über die Rechnungslegung von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen ( VU-RLV) vom 21.10.2015, BGBl. II Nr. 316/2015; die VO der FMA über die Bildung einer Schwankungsrückstellung in der Schaden- und Unfallversicherung von Versicherungsunternehmen (Schwankungsrückstellungs-Verordnung 2016 - VU-SWRV 2016) vom 21.10.2015, BGBl. II Nr. 315/2015; die Versicherungsunternehmen-Höchstzinssatzverordnung der FMA vom 6.10.2015, BGBl. II Nr. 299/2015; die Verordnung über die Führung von Verzeichnissen für die zur Bedeckung der versicherungstechnischen Rückstellungen herangezogenen Vermögenswerte durch Unternehmen der Vertragsversicherung, BGBl. II Nr. 505/2002.

Die Rechnungslegung für kleine Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit im Sinne des § 68 Abs. 1 VAG 2016 ergibt sich aus § 79 VAG 2016. Auf Grund des § 79 Abs. 3 VAG 2016 ist die Verordnung der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) über die Rechnungslegung kleiner Versicherungsvereine, kV-RLV, BGBl. II Nr. 168/2015, ergangen, wodurch die besonderen Bedürfnisse der kleinen Versicherungsvereine beachtet werden und Erleichterungen hinsichtlich der Rechnungslegung, Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichtes für kleine Versicherungsvereine vorgesehen sind.


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Zusatzinformationen
Gültig ab:
29.03.2018
Betroffene Normen:
VAG 2016, Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015
§ 8 Abs. 1 VAG 2016, Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015
§ 13 Abs. 1 VAG 2016, Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015
§ 6 Abs. 1 VAG 2016, Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015
§ 40 VAG 2016, Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015
§ 44 VAG 2016, Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015
§ 45 VAG 2016, Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015
§ 143 VAG 2016, Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015
§ 44 Abs. 2 VAG 2016, Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015
§ 35 ff VAG 2016, Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015
§ 68 ff VAG 2016, Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015
§ 69 Abs. 2 VAG 2016, Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015
§ 69 Abs. 4 VAG 2016, Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015
§ 48 Abs. 1 VAG 2016, Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015
§ 75 Abs. 2 VAG 2016, Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015
§ 127 VAG 2016, Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015
§ 170 Abs. 1 Z 2 VAG 2016, Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015
§ 46 VAG 2016, Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015
§ 136 VAG 2016, Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015
VU-RLV, Rechnungslegung von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen, BGBl. II Nr. 316/2015
SWRV 2016, Schwankungsrückstellungs-Verordnung, BGBl. II Nr. 315/2015
VU-HZV, Versicherungsunternehmen-Höchstzinssatzverordnung, BGBl. II Nr. 299/2015
§ 68 Abs. 1 VAG 2016, Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015
§ 79 VAG 2016, Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl. I Nr. 34/2015
kV-RLV, Kleine Versicherungsvereine Rechnungslegungsverordnung, BGBl. II Nr. 168/2015
VAG, Versicherungsaufsichtsgesetz, BGBl. Nr. 569/1978
Schlagworte:
Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit
Stammfassung:
BMF-010216/0009-VI/6/2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
QAAAA-76455